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Nachruf auf Dieter Mann * 20. Juni 1941, Berlin
† 03. Februar 2022, Berlin
( 80 Jahre )
Der Schauspieler und Intendant Dieter Mann ist gestorben. Er prägte zu DDR-Zeiten das Deutsche Theater Berlin und wurde in Ulrich Plenzdorfs "Die neuen Leiden des jungen W." zu einer Kultfigur.

Von Peter Laudenbach

Unbestechlich: der Schauspieler und Intendant Dieter Mann (1941-2022).
(Foto: imago stock&people)

Dieter Mann wurde erst Mephisto, dann Intendant Dieter Mann umgab eine natürliche Aura der Distanz, und vielleicht war darum, alles, was sie durchbrach, umso erschütternder. Unvergessenen sein DT-Solo mit Thomas Manns „Fülle des Wohllauts“, die beiden Manns waren füreinander geschaffen. Nur ihre Herkunft konnte verschiedener nicht sein.

Seine Mutter, die einfache Berliner Arbeiterfrau, hat ihren Sohn zeitlebens nicht auf der Bühne gesehen. Sie hielt sich für zu gering, die Schwelle eines Theaters zu überschreiten.

Ohne die DDR wäre Dieter Mann wohl nie Dieter Mann geworden. Das Anfangsversprechen lautete: Ihr, die ihr mit dem Gesicht nach unten lebt, schaut auf! Und der junge Dreher mit acht Klassen in Akkordarbeit hielt inne. 1984, nachdem das große „Faust II“-Projekt am Deutschen Theater gescheitert war – Regie: Friedo Solter, Faust: Alexander Lang, Mephisto: Dieter Mann –, wurde er Intendant. Unter seiner Leitung entstanden die großen Produktionen der letzten Jahre der DDR und der Wendezeit, allen voran Heiner Müllers „Hamlet/ Hamletmaschine“.

Bevor er sich vor einigen Jahren von der Bühne zurückzog, widmete sich der Schauspieler Dieter Mann in seinen Lesungen, etwa aus Thomas Manns "Zauberberg", dem Metier, das er so kunstvoll und klug beherrschte: der Spracherkundung, die die Bewegung der Gedanken und Gefühle im gesprochenen Wort fortsetzt, klar, fein nuanciert, gerne leicht ironisch gefärbt, nie grell äußerlich oder sentimental. Sondern immer mit kundigem Respekt vor den Dichtern, in deren Werke er lesend und vorlesend eintauchte.

Dieter Mann war in seiner Treue zu den Klassikern wie in der virtuosen Sprachbehandlung ein großer Schauspieler alter Schule. Direkt nach dem Schauspielstudium wurde er 1964 ans Deutsche Theater Berlin verpflichtet - ein Berufsstart im Olymp an einer der wichtigsten Bühnen der DDR, immer bürgerlich kultiviert und mit leichter, aber spürbarer Reserve gegenüber den Apparatschiks der SED-Kulturpolitik.

Hier wurde Mann zum Star, und diesem Haus blieb er sein Theaterleben lang verbunden. Ein früher Karrierehöhepunkt war 1972 seine Rolle als DDR-Beatnik Edgar Wibeau in Ulrich Plenzdorfs "Die neuen Leiden des jungen W.", ein Auftritt von jugendlich-anarchischem Freiheitsdrang. Die Kult-Inszenierung erreichte mehr als 300 ausverkaufte Vorstellungen, die Kritik feierte Manns Spiel mit "gewinnendem Charme, schier übersprudelnder Fantasie und einer bewunderungswürdigen Ausdruckskraft".

Neben seiner Theaterarbeit spielte Mann in legendär gewordenen Defa-Filmen ("Ich war neunzehn", "Berlin um die Ecke"), bei denen man heute noch darüber staunt, was in der jungen DDR so alles möglich war.
(Anm.: Ein Film, der für mich mit weit oben steht: Die Rache des Kapitän Mitchel. Er fehlt in den Aufzählungen, leider)

Manns schwierigste Rolle dürfte es gewesen sein, das Deutsche Theater als Intendant von 1984 bis 1992 unbeschädigt durch die Verfallsphase der DDR und über die Wende zu bringen - eine Aufgabe, der er sich mit großer persönlicher Integrität stellte, ganz offenkundig nicht getrieben von persönlichem Ehrgeiz, sondern dem Willen, seinem Theater in schwieriger Zeit beizustehen.

Mit der gleichen Unbestechlichkeit, mit der er vor dem Mauerfall Distanz zu den System-Opportunisten und Ideologen gehalten hatte, betonte er nach der Wiedervereinigung, dass er ganz bewusst in der DDR geblieben sei und diesem Staat viel verdanke - zum Beispiel, dass er als Sohn eines Berliner Fabrikarbeiters Schauspiel studieren konnte.

Parkinson war der Schatten über seinen letzten Jahren. Einst hatte er seine erste Filmrolle für die Art bekommen, wie man ihn von hinten aus der Tür gehen sah. So sehen wir ihn jetzt: von hinten aus der Tür gehen.

Am Donnerstag, 03.02.2022, ist Dieter Mann im Alter von 80 Jahren in Berlin gestorben.


Süddeutsche Zeitung | DEFA-Stiftung


© infos-sachsen / letzte Änderung: - 17.07.2023 - 09:04